Titelthema | Peter Reuter | INDat Report 10_2017 | Januar 2018

Licht und Schatten –

Hamburg. Als »Tag der Befreiung« und »längst überfällig« bezeichnen es die einen, als »schweren Schlag gegen die richterliche Unabhängigkeit« werten es andere. Das Präsidium des AG Hamburg hatte am 12.12.2017 beschlossen, dass RiAG Frank Frind ab 01.01.2018 nicht mehr für Insolvenzsachen zuständig ist. Der auslösende Konflikt zwischen Frind und einem Insolvenzverwalter sowie drei weitere Stellungnahmen sollen einerseits kein vollständiges Bild vermitteln, heißt es, andererseits soll es sich um belastende Belege handeln, die in Richtung Nötigung und Rechtsbeugung weisen. Der Betroffene, schwer getroffen von der »Kaltstellung«, wird wahrscheinlich Rechtsmittel einlegen. Seine justizpolitischen Beiträge haben das Insolvenzrecht bereichert – eine Einschätzung auch derer, die ihn als Insolvenzrichter für nicht mehr tragbar hielten.

Wenn Deutschlands wohl bekanntester und streitbarster Insolvenzrichter gem. Geschäftsverteilungsplan 2018 des AG  Hamburg nicht mehr für Insolvenzsachen zuständig ist, sondern den Vorsitz einer Abteilung für Zivilsachen erhalten hat, dann ließ und lässt das aufhorchen – auch vor dem Hintergrund, dass eine nicht mit dem betroffenen Richter einvernehmliche »Versetzung« äußerst selten vorkommt.
Am 12.12.2017 hatte das Präsidium des AG Hamburg, dem die Geschäftsverteilung als Organ der richterlichen Selbstverwaltung – im Fall des AG Hamburg zehn gewählte Richterinnen und Richtern sowie der Präsident – ausschließlich vorbehalten ist, diese Entscheidung getroffen. Das Gremium habe sich »intensiv beraten«, erklärt Gerichtspressesprecher Dr. Kai Wantzen. »Der betroffene Richter wurde persönlich angehört.« Die bislang von Frind geführten Abteilungen (67 c und 68 c) übernimmt RiinAG Kristina Feustel, er wiederum übernimmt ihre bisherige Zuständigkeit u. a. für Verkehrssachen. Die Beratungen des Präsidiums und die Abstimmung seien wie alle Personalsachen vertraulich und unterlägen dem Beratungsgeheimnis. Das Präsidium sei deshalb daran gehindert, die Gründe seiner Entscheidung öffentlich zu machen.
»Ich sitze hier trotz des zwischenzeitlichen Abstands immer noch recht betäubt«, erklärt Frind dem INDat Report. »Es ist allgemein bekannt, dass Insolvenzrecht quasi mein ganzes Berufsleben ist, ich habe dafür viel geopfert und es 21 Jahre mit Herzblut betrieben. Ich musste erkennen, dass man mich dort treffen wollte und getroffen hat, wo ich wirklich verletzlich bin. Richterliche Unabhängigkeit hin oder her. Zudem ist die Rufschädigung nach dem Motto ›Irgendetwas bleibt immer hängen‹ schon beträchtlich. Kurz: Zurzeit ist es ganz grauslich.«
Die Reaktionen fallen – vor allem in der Hamburger Verwalterschaft – ganz unterschiedlich aus. »Tag der Befreiung«, »längst überfällig« und »keiner weint ihm eine Träne nach« erklären die einen. Des Weiteren heißt es nüchtern, es bestehe doch kein Rechtsanspruch auf »ewige Insolvenzrichtertätigkeit«. Anwaltliche Berater, die den kritischen Überwacher als unberechenbar bezeichnen und seine »überhebliche Deutungshoheit« des ESUG als nicht nachvollziehbar einstufen, atmen erleichtert auf. Aus der Gruppe der etwa 25 von Frind regelmäßig mit Verfahren bedachten Verwalter hört man allerdings großes Bedauern  – auch angesichts der persönlichen Komponente, da er für das Insolvenzrecht wie kein anderer gelebt, die Materie verinnerlicht habe. Man wolle gar nicht beschönigen, dass er zu einem schnoddrigen, nicht selten respektlosen und sogar cholerischen Ton neigt, der jeden innerhalb und außerhalb des Gerichts treffen konnte. Mit seinen unmissverständlichen Ansichten zur Nachhaltigkeit der Eigenverwaltungsverfahren und zum Conflict Check, die er in der Theorie formuliert und in der Praxis umgesetzt hatte, habe er sich einige Gegner, ja sogar erbitterte Feinde geschaffen. Doch bescheinige man ihm in der Zusammenarbeit der von ihm angeordneten Insolvenzverfahren sehr viel Einsatz bei höchsten Ansprüchen, bestes Detailwissen zum Verfahrensstand, eine ständige Ansprechbarkeit und schnelle Reaktion. Gutachten und Berichte habe man noch genauer erstellt und es als Ansporn gesehen, die eigene Qualität zu steigern. Auch heißt es, dass man ihn als völlig integre Persönlichkeit kenne.

(…)

Editorial | Peter Reuter | INDat Report 10_2017 | Januar 2018

Allerlei Gerichte

Ein Streit schien vorprogrammiert. Zwei Hauptinsolvenzverfahren nach EuInsVO, angeordnet vom AG Charlottenburg und dem Landesgericht Korneuburg, ein Berliner LG-Beschluss und eine Rechtsbeschwerde vor dem BGH in Sachen Niki: Nach anfänglichem Säbelrasseln beschlossen der vorläufige Verwalter Lucas Flöther und die Masseverwalterin Ulla Reisch zu kooperieren, wenngleich es ein Florettduell blieb. Denn dass der österreichische Gläubigerausschuss für Laudamotion votierte und sich somit der polternde Niki Lauda, der im deutschen Verfahren keine Beachtung gefunden hatte, gegen den »deutschen« Bestbieter IAG durchgesetzt hat, wird Flöther sicherlich aufstoßen. Aber wie heißt es so schön: Der Gläubigerwille zählt.
Auch das Hamburger AG macht von sich reden. Obwohl eine interne Angelegenheit, generiert sie größtes externes Aufsehen. Frank Frind nicht mehr als Insolvenzrichter einzusetzen, löste viele Reaktionen aus. Rein rechtlich ist das letzte Wort nicht gesprochen, der Ball liegt jetzt beim möglichen Kläger.
Als akribischer Analytiker und streitbarer Impulsgeber hat Frind das Insolvenzrecht und besonders das ESUG bereichert, und sei es nur, dass er als Erster bestimmte Fragen aufgeworfen hat. Die ZInsO und ihr Schriftführer müssten ihm für seinen Input sehr dankbar sein, der INDat Report ist es für seine zahlreichen Standpunkte, wenngleich er dem Verfasser mit der Veröffentlichung Holzers kritischem Beitrag zu den gerichtlichen Leitlinien (INDat Report 07_2017) »einen schweren, nicht wieder gutzumachenden handwerklichen Fehler« attestiert hat. Das kann passieren.
Wenn Frind nun nicht so getroffen wäre, würde er sich die aktuelle ESUG-Studie von Roland Berger und HgGUR vornehmen, nach der sich nur 17 % für eine baldige Reform aussprechen, und sie eines Besseren belehren. Für 47 % der Befragten sei die Stärkung der Gläubigerinteressen nicht erreicht – hier würde Frind vielleicht kontern: Dann sollen sie sich stärker einbringen.
Aber das soll kein Nachruf werden, wir gehen einmal davon aus, dass Frind mindestens als wertvoller Vordenker und pointierter Publizist sehr präsent bleiben wird.

Inhaltsverzeichnis

3
Editorial
 
6
INDat Barometer I
7
Statistik Bund: Teil 1
Top 30 Kanzleien
 
8
 
Top 300 Verwalter
 
11
Im Gespräch
Marktentwicklung 2012–2017
 
12
Statistik Länder
 
 
34
Statistik Städte: Teil 1
 
 
34
 
Baden-Württemberg
 
43
 
Bayern
 
53
 
Berlin
 
54
 
Brandenburg
 
56
 
Bremen
 
56
Workshops & Vorträge
Hamburg
 
57
 
Hessen
 
59
Redaktionsteil
 
 
61
Namen & Nachrichten
 
BGH macht Verwaltervergütungen für Öffentlichkeit transparent
62
Namen & Nachrichten
 
 
63
Standpunkt
Prof. Dr. Jens M. Schmittmann
EuGH-Schlussanträge in Sachen Heitkamp-Urteil Generalanwalt kontra Kommission
64
Hintergrund
Licht und Schatten – der Fall Frank Frind
 
68
Im Gespräch
RA Prof. Dr. Lucas Flöther und RA Tobias Hoefer Nutzen und Bedeutung von InsO Excellence
TÜV für die Formel 1
70
Arbeitskreise & Vorträge
Neujahrsempfang des Kölner Arbeitskreises für Insolvenzwesen e. V.
Rechtsstaatlich höchst kritikwürdig
75
Statistik Städte: Teil 2
 
 
75
 
Mecklenburg-Vorpommern
 
76
 
Niedersachsen
 
85
 
Nordrhein-Westfalen
 
96
 
Rheinland-Pfalz
 
100
 
Saarland
 
101
 
Sachsen
 
104
 
Sachsen-Anhalt
 
105
 
Schleswig-Holstein
 
109
 
Thüringen
 
111
Statistik Bund: Teil 2
 
Ranking der Sachwaltungen
111
Statistik Bund: Teil 2
Ranking der Sachwaltungen
 
112
 
Übersicht Gerichte und Verfahren
 
114
 
Top 10 »Closed Shops«
 
115
INDat Barometer II
 
 
118
Veranstaltungen / Vorschau / Impressum