Titelthema | Rechtsanwältin und Solicitor Ursula Schlegel | INDat Report 08_2015 | November 2015

EU-Trend zu vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren EU gibt Gerüst vor: Präventiv und hybrid

Einen Begriff verwendet die Insolvenz- und Restrukturierungsbranche immer wieder, wenn es – je nach Sichtweise – um Vielfalt oder um Mangel geht: den des Werkzeugkastens. Er beinhaltet die Instrumente, die die jeweiligen Rechtsordnungen Restrukturierungspraktikern an die Hand geben, um eine Insolvenz zu vermeiden, innerhalb eines Insolvenzverfahrens zu sanieren oder erforderliche Marktaustritte sauber vorzunehmen. Bekanntermaßen gibt es in Europa noch sehr unterschiedliche Werkzeugkästen, die aber auch über gemeinsame Instrumente verfügen. Ein Instrument, das die EU-Kommission gerne in allen Werkzeugkästen sehen würde, ist das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren. Hintergrund ist nach den Empfehlungen vom 12.03.2014 der Aktionsplan zur Kapitalmarktunion, der die europaweite Angleichung im Insolvenzrecht als einen der wesentlichen Bausteine betrachtet. Hierzu finden im kommenden Jahr Konsultationen statt, in die sich Deutschland mit seinen Erfahrungen und zur Wahrung eigener Positionen einbringen sollte. Damit das geschehen kann, ist es hilfreich, den Status quo sowie jüngste Entwicklungen bei vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren nicht nur europaweit, sondern auch darüber hinaus auf den Plan zu rufen. Wer das macht – und der folgende Beitrag unternimmt dazu einen ersten Anlauf – kommt zu einem verblüffenden Ergebnis.

1.1. CMU Action Plan und EU-weite Einführung
vorinsolvenzlicher Sanierungsverfahren

Wer Spaß an Suchrätseln hat, findet im Capital Markets Union
Action Plan (CMU Action Plan) der EU-Kommission1 vom 30.09.2015 eine Herausforderung: Hier versteckt sich, in rund 30 Seiten Programm zur Schaffung einer paneuropäischen Kapitalmarktunion, auf wenige Zeilen reduziert die Ankündigung eines europäischen Gesetzesentwurfs zur EU-weiten Einführung – und vor allem Vereinheitlichung vorhandener – vorinsolvenzlicher Sanierungsverfahren.
Was ist dieser CMU Action Plan und was hat er mit Unternehmenssanierung zu tun? Commissioner Jonathan Hill fasste den Plan in seiner Presseerklärung2 so zusammen: »What it is about at its most simple is creating the right conditions for more funding to flow from Europe’s savers to Europe’s businesses.« Das heißt: Es geht um Investitionen für Europa. Der Plan ist monumental, befasst sich mit modernen Phänomenen wie dem Crowdfunding, mit der Altersvorsorge und mit einer zu steigernden Attraktivität der EU für Kapital aus Drittstaaten. In diesem Gesamtkontext hat die Kommission für grenzübergreifende Investitionen »zahlreiche, lang dauernde, tief verwurzelte Hürden« ausgemacht, beginnend mit »Hürden, die im einzelstaatlichen Recht, etwa im Insolvenz-, Sicherheiten- und Wertpapierrecht, begründet liegen«. Im Übrigen sieht die Kommission auch die national unterschiedlichen Steuerrechte als Investitionshemmnis.

EU-Kommission von mangelnder Umsetzung enttäuscht

Nach Meinung der Kommission würden »konvergente«, also identische Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren zu mehr Rechtssicherheit für grenzübergreifende Anleger, denen derzeit Bewertungen von Kreditrisiken erschwert seien, beitragen. Und: Identische Verfahren wären frühzeitigen Restrukturierungen tragfähiger Unternehmen, die sich in einer Notlage befinden, förderlich. Von der nur teilweisen Umsetzung einer Empfehlung vom 12.03.20143 zu einem »präventiven Restrukturierungsrahmen«, mit der die Mitgliedstaaten zur Einführung früher Restrukturierungsverfahren zur Vermeidung von Insolvenz oder zur Steigerung der Effizienz vorhandener Verfahren aufgefordert wurden, enttäuscht, kündigt die Kommission nun an, dass sie aufbauend auf den Erfahrungen aus derselben Empfehlung einen Legislativentwurf für Unternehmensinsolvenzen vorschlagen werde. Dieser Entwurf werde Bestimmungen zu »frühen Umstrukturierungen« enthalten und soll, ausgehend von »nationalen Regelungen, die gut funktionieren«, die wichtigsten Hindernisse für den freien Kapitalverkehr beseitigen.4 Auch ein genauer Zeitpunkt für den Legislativentwurf wird genannt: viertes Quartal 2016.

Sanierungsgedanke folgt dem Kapitalverkehr

Der Aufbau des dem Action Plan als Anlage beigefügten Zeitplans veranschaulicht, was primäre Zielsetzung des Legislativ­entwurfs sein wird: nicht Unternehmenssanierung per se, sondern gem. der letzten Hauptüberschrift des Zeitplans die »Erleichterung grenzüberschreitender Investitionen«. Dort, unter dem Punkt »Förderung der Konvergenz der Insolvenzverfahren«, findet sich der »Legislativentwurf über Unternehmensinsolvenzen zur Beseitigung der wichtigsten Hindernisse für den freien Kapitalverkehr«. Dass zu diesen wichtigsten Hindernissen nach Ansicht der Kommission das Fehlen respektive die Uneinheitlichkeit vorhandener vorinsolvenzlicher Sanierungsverfahren gehören, erschließt sich aus der Gesamtschau des CMU Action Plan und der Empfehlung vom 12.03.2014.
Ob die Kommission dieses Vorhaben umsetzen kann, was unter dem angekündigten Legislativentwurf zu verstehen ist und wie der Konsultationsprozess bis zum vierten Quartal 2016 ablaufen wird, erläutert Prof. Dr. Christoph Thole auf Seite 19.

(…)

Editorial | Peter Reuter | INDat Report 08_2015 | November 2015

Wen kann das überraschen?

Überraschend und auch irritierend kam in Teilen der »Branche« der Aktionsplan der EU-Kommission zum Aufbau einer Kapitalmarktunion an, denn er kündigt u. a. für das Insolvenzrecht Harmonisierungen an. Die Idee an sich ist nicht neu, war sie doch bereits in den Empfehlungen vom 12.03.2014 vorgezeichnet. Doch da die Empfehlungen nicht überall Gehör fanden, hat der Druck in Richtung nationaler Umsetzung zugenommen, die Kommission kündigt nun eine Gesetzesinitiative an.

Der Aktionsplan nennt das Insolvenzrecht als eines der seit Langem bestehenden Hindernisse für grenzüberschreitende Investitionen. Der Tenor aus Brüssel dazu lautet, unionseinheitlich auf präventive Sanierungsverfahren zu setzen, die auch, wie die Titelgeschichte veranschaulicht, »hybrid« ausgestaltet sein sollen.

Vom Himmel fällt das Nachdenken über vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren nicht. Im Sommer 2010 trafen sich auf Einladung des BMWi und des BMJ ausgewiesene Experten, um »Sanierung im Vorfeld von Insolvenzverfahren« aus allen Blickwinkeln zu beleuchten. Das politisch gewollte Resultat ist allen bekannt: Mit dem ESUG hat man sich anders entschieden, wenngleich der Schutzschirm in den anfänglichen Diskussionen den Anstrich eines vorinsolvenzlichen Verfahrens bekam.

Während die Insolvenzverwalter des Gravenbrucher Kreises zu einer Nachjustierung des ESUG aufrufen, um Sanierungen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens noch handhabbarer zu machen, mehren sich wieder die Stimmen, die an die Diskus­sion von 2010 anknüpfen wollen. Auch aus Eigeninteressen, doch aufgefordert von Europa, endlich aktiv zu werden.

Es klingt häufig so, als ob »Europa« dem deutschen Gesetz­geber hier etwas Konkretes aufoktroyieren wolle. Die Titelgeschichte zeigt aber, dass es zwar ein resoluter Fingerzeig ist, wohin die Reise geht, wie man sie jedoch für sich konkret gestaltet, jedem selbst überlassen bleibt.

Austria | Rechtsanwältin Dr. Anne Deike Riewe | INDat Report | November 2015

Restrukturierung an der Kapazitätsgrenze

Kufstein. Zum grenzüberschreitenden Restrukturierungsdialog vor traumhafter Alpenkulisse lud die Fachhochschule Kufstein Tirol im Rahmen des 4. Internationalen Symposiums Restrukturierung am 02.10.2015 ein. Neben insolvenzrechtlichen Aspekten standen unter dem Motto »Ohne Strategie kein Turnaround« Herausforderungen für die Geschäfts­modelle im Einzelhandel sowie in der Kreditwirtschaft im Mittelpunkt der sehr stark besuchten Veranstaltung.

Mit rund 400 Teilnehmern konnte Prof. (FH) Dr. Markus W. Exler als Leiter des Instituts für Grenzüberschreitende Restrukturierung und Veranstalter bei der vierten Auflage der Jahreskonferenz in Kufstein erstmals das Erreichen der Kapazitätsgrenze vermelden. Dabei war das Publikum mit starkem deutschen Anteil, selbstverständlich vielen österreichischen, aber auch einigen aus der Schweiz sowie aus Südtirol angereisten Teilnehmern auch von der beruflichen Herkunft bunt gemischt. Jeweils rund ein Drittel der Teilnehmer ordnete Exler den Bankern und Insolvenzverwaltern, den Beratern sowie der Rolle als Geschäftsführer oder Privat-Equity-Gesellschaften zu.



Der Einzelhandel im

digitalen Zeitalter



Den inhaltlichen Auftakt machte Dr. Kai Hudetz, IFH Institut für Handelsforschung, Köln, mit umfangreich statistisch belegten Ausführungen zu Geschäftsmodellen im deutschen und österreichischen Einzelhandel im digitalen Zeitalter. Ausgangspunkt seiner Ausführungen war die Feststellung, dass das Volumen des Onlinehandels weiter steigt, allerdings mit leicht abnehmender Wachstumsrate. Die besondere Herausforderung für die vorhandenen Marktteilnehmer ergebe sich daraus, dass man sich in einem insgesamt gesättigten Markt bewege. Als im Vorfeld nicht unbedingt zu erwarten, schilderte Hudetz die Entwicklung, dass die etablierten Versandhäuser in den letzten Jahren im Onlinehandel laufend Marktanteile verloren haben. Für die zukünftige Entwicklung diskutierte Hudetz fünf Thesen. So sei (erstens) zu erwarten, dass 70 % der traditionellen Händler sich entweder völlig neu erfinden oder verschwinden würden. Allerdings würden (zweitens) 90 % der reinen Onlinehändler nicht überleben. Hudetz verwies auf die schon in den letzten Jahren zutage getretene Dominanz von Amazon gegenüber anderen Onlinehändlern. Dazu, dass auch der stationäre Handel eine Bedeutung behalte, trage bei, dass die junge, mit dem Internet vertraute Generation der sog. »Smart Natives« keineswegs ausschließlich online einkaufen wolle, sondern vielmehr selbstverständlich verschiedene Einkaufswege je nach Produkt und Situation nutze. Dies bedeute aber (drittens), dass sich der Händler, um Erfolg zu haben, nicht auf einen einzigen Vertriebskanal beschränken dürfe. Dabei bestimmten (viertens) flexible, relevante und unterhaltsame Formate den Handel der Zukunft. Zu erwarten sei schließlich (fünftens) eine zunehmende Dominanz starker Marken. Im Ergebnis erweist sich nach Einschätzung von Hudetz die Kundenbindung als zentrale Herausforderung.



Managemententscheidungen

im Fokus des Strafrechts



Anhand einiger jüngerer Entscheidungen ging Dr. Oliver Plöckinger, SCWP Schindhelm, Linz, auf die Risiken strafrechtlicher Verfolgung von Managemententscheidungen in der Krise ein. Im Fokus stehe dabei in Österreich derzeit der Tatbestand der Untreue, der mit Wirkung zum 01.01.2016 einer Reform unterzogen wurde. Auf der Grundlage der aktuell geltenden Gesetzesfassung hatte der Oberste Gerichtshof im Fall Libro eine Untreue durch eine vor der geplanten Downstream-Verschmelzung vorgenommene Ausschüttung an die Alleinaktionärin unter Zugrundelegung einer »fantasievollen« Bewertung von Vermögensgegenständen bejaht. Das Gericht hat dabei eine wirtschaftliche Identifikation von Aktionären und Aktiengesellschaft abgelehnt. Die erteilte Zustimmung der einzigen Aktionärin wurde nicht als tatbestandsausschließend anerkannt. Der Fall Styrian Spirit betraf die Annahme einer Untreue aufseiten der Bank durch eine »wirtschaftlich unvertretbare« Kreditgewährung. Plöckinger hob besonders den Umstand hervor, dass das Gericht in diesem Fall den Eintritt des Schadens bereits mit der Auszahlung des Darlehens angenommen hat, ohne dass es auf einen späteren tatsächlichen Ausfall ankommen soll. Möglich bleibe auf der Grundlage dieser Rechtsprechung aber eine Verteidigung auf der Ebene des subjektiven Tatbestands, da der Täter es ernstlich für möglich halten und sich damit abfinden müsse, dass die ausgezahlten Mittel verloren seien. Inhalt der Gesetzesreform ist nun eine gesetzliche Klarstellung, dass das Merkmal des Befugnismissbrauchs erfüllt ist, wenn der Täter »in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstößt, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen« (§  153 Abs. 2 öStGB n. F.). Vergleichbar der im deutschen Recht bereits erfolgten Kodifizierung wird daneben auch ins österreichische Gesellschaftsrecht die Business Judgment Rule aufgenommen (§ 25 Abs. 1 a öGmbHG und § 84 Abs. 1 a öAktG).



Kritikpunkte am

Konzerninsolvenzrecht



Vor eine etwas schwierige Aufgabe wurde RA Detlef Specovius, Schultze & Braun, Achern, mit seinem Auftrag gestellt, Neues zum Konzerninsolvenzrecht in Deutschland zu berichten. Bekanntlich wartet der bereits vom 30.01.2014 datierende RegE noch immer auf die Fortsetzung seiner Behandlung im Bundestag. Specovius nutzte die Gelegenheit, die Entwurfsinhalte noch einmal zusammenzufassen und insbesondere kritisch zu beurteilende Aspekte hervorzuheben. Die geplanten kleinteiligen Regelungen hält Specovius dabei insgesamt für weder überschaubar noch praxisgerecht. Zu den geplanten Regelungen zum Konzerngerichtsstand wies er auf die damit erneut steigenden Ansprüche an die Qualität der Insolvenzanträge hin. Für bedenklich hält Specovius hierbei die geforderte Offenlegung von Informationen auch über andere Unternehmen der Gruppe. Skeptisch zeigte er sich schließlich auch hinsichtlich der Rolle des vorgesehenen Koordinationsverwalters. Dieser sei nach der Konzeption letztlich auf den guten Willen der beteiligten Verwalter angewiesen – und deren »recht devote Grundhaltung« sei schließlich bekannt. Als effektivere Lösung fordert Specovius die Verpflichtung des Gerichts, einen personenidentischen Insolvenzverwalter einzusetzen, sofern keine überwiegenden Interessenkollisionen bestehen.



Was sich von Chapter 11

B.C. lernen lässt



Den Blick in die USA, konkret auf das Chapter 11 aus der europäischen Perspektive, lenkte RA Klaus Siemon. Wegen der bereits längeren Geltungsdauer der Regelungen habe dort eine Fehleranalyse schon in größerem Maße stattgefunden, von deren Erkenntnissen man auch bei Reformüberlegungen in Europa profitieren könne. Kritisch beurteilt werde von LoPucki (Zusammenfassung in ZInsO 2013, 420) insbesondere der bestehende Wettbewerb unter den amerikanischen Insolvenzgerichten, der zu einem Versagen des Kontrollorgans führe. Veränderungen in der Wirkungsweise der gesetzlichen Regelungen hätten sich durch Veränderungen von Geschäftsmodellen und die Ausweitung von Sicherungsrechten ergeben, aber auch durch das Auftreten von Distressed Debt Tradern. Ein konkreter Vorschlag der angesichts dessen vom American Bankruptcy Institute (ABI) eingesetzten Reformkommission gehe dahin, unterhalb von Großverfahren keinen Gläubigerausschuss der ungesicherten Gläubiger einzusetzen, sondern einen sog. Estate Neutral zu bestellen, dessen Kompetenzen vom Gericht »maßgeschneidert« angeordnet werden könnten. In den USA sei man zu der Grunderkenntnis gelangt, dass es keine für alle Fälle einheitlich tauglichen Regelungen (»one size fits all«) geben könne, woran es in Deutschland noch fehle. Siemon begrüßte einen Einstieg in geschäftsmodellbasierte Insolvenzrechtsregelungen. Dabei müsse eine Lösung für das Kernproblem der Einbindung des Know-how des Schuldners gefunden werden. Für sinnvoll erachtete Siemon auch die Schaffung eines Rechts auf bewertungsrelevante Informationen für die Stakeholder im Verfahren und sprach sich klar für die Einführung eines entsprechenden Anspruchs auch im deutschen Recht aus. Ohne Informationen werde kein angemessener Interessenausgleich erzielt, insbesondere die Geltendmachung einer Schlechterstellung durch einen Insolvenzplan setze die Verfügbarkeit bewertungsrelevanter Informationen voraus. Zur Vergütung wies Siemon darauf hin, dass die zeitbasierte Abrechnung in den USA trotz der vorgenommenen intensiven Kontrolle der Abrechnungen massiver Kritik unterliege. Er bemängelte, dass nach deutschem Recht bislang kein Vergütungssystem für die in der Eigenverwaltung beteiligten Berater existiere und keine Kontrolle durch das Gericht erfolge. Der mögliche Widerspruch des Sachwalters bleibe ohne rechtliche Wirkung, während die Gläubiger allenfalls die Aufhebung der Eigenverwaltung erreichen könnten. Bezüglich des Verkaufsprozesses im Verfahren werde in den USA die zu große Geschwindigkeit kritisiert. Abhilfe schaffen könnte hier eine Regelung, wonach entweder ein Moratorium von 60 Tagen einzuhalten oder eine gerichtliche Genehmigung einzuholen ist, die beispielsweise auf einen ansonsten drohenden Werteverfall gestützt werden könnte. Auch insoweit kritisierte Siemon die bislang im deutschen Recht noch vollständig fehlenden Vorgaben zu Verkaufsstandards.



»Erleichterung« mit dem

ESUG klappt nur bedingt



Aus der Gläubigerrolle referierte Hans Joachim Weidtmann, Commerzbank AG, Frankfurt, über das Agieren von Kreditinstituten in der außergerichtlichen Unternehmenssanierung. Weidtmann ging zunächst auf den rechtlichen Handlungsrahmen der Banken und die in den letzten Jahren vorgenommenen und noch laufenden regulatorischen Veränderungen ein. Als Folge von Basel III komme es zu einem weiteren Anstieg der Risikokapitalkosten. Von der anderen Seite her betrachtet habe sich für ein Unternehmen in der Krise schon in der Vergangenheit eine komplexe Interessenlage durch die Vielfalt der Stakeholder ergeben. Zwischenzeitlich habe man es dabei aber nicht nur mit einer großen Bandbreite von »Kreditgebern«, sondern auch mit gewandelten, vielfach komplexen und internationalen Finanzierungsstrukturen zu tun. Das Versprechen des Gesetzgebers, mit dem ESUG die Sanierung von Unternehmen im Rahmen der Insolvenz zu erleichtern, hat sich nach Einschätzung von Weidtmann nur sehr bedingt erfüllt. Gerade für die inzwischen auch im Mittelstand verbreitete Konzernfinanzierung fehle es an rechtlichen Maßgaben. Aus Sicht eines Kreditinstituts habe daher die Restrukturierung außerhalb der Insolvenz oberste Priorität. Dabei seien ebenfalls kreative Konzepte gefragt, bei denen der Erhalt des Kunden und der Geschäftsverbindung im Vordergrund stünden, zugleich aber die Struktur auch der Optimierung des Risikoprofils nützen müsse. Was dies im Einzelfall bedeuten kann, stellte Weidtmann anhand öffentlich gewordener Beispiele unter Beteiligung seines Instituts vor.

Die Schwierigkeiten, mit denen Kreditinstitute und ihre Geschäftsmodelle aktuell konfrontiert sind, beleuchtete Dr. Gunter Dunkel, Vorstandsvorsitzender der Norddeutschen Landesbank. Als Bestandteile der veränderten Rahmenbedingungen benannte Dunkel insbesondere das Niedrigzinsumfeld und neue regulatorische Anforderungen, eine Verschärfung der Wettbewerbssituation, aber auch die grundlegenden Veränderungen durch die Digitalisierung. Die im Eingangsreferat von Hudetz dargestellten Erkenntnisse zum Einzelhandel ließen sich diesbezüglich auf die Bankenwelt übertragen. Die Schwierigkeit der Anpassung an veränderte Bedingungen bestehe nicht darin, Trends als solche zu erkennen, sondern die Geschwindigkeit von Entwicklungen richtig einzuschätzen. Als aussichtsreiche Elemente einer Strategie sieht Dunkel hohe Marktanteile oder Spezialisierung an. So setzt man in seinem Institut insbesondere auf eine Vermarktung des im bisherigen Geschäft aufgebauten Branchen-Know-how. Ein Geschäftsmix sei schon wegen der unterschiedlich verlaufenden Branchenzyklen unverändert erstrebenswert. In schwierigen Phasen ziele man auf eine Optimierung der Verlustbegrenzung und Erhaltung des Wertaufholungspotenzials, weshalb auch das Schiffsegment als derzeit wesentlicher Treiber der Risikovorsorge ein wichtiger Bestandteil der Strategie bleibe. Mögliche Strategien der Restrukturierung stellte Dunkel auch für den Bereich der Immobilienfinanzierung dar. Dunkel betonte abschließend, dass ein Geschäftsmodell eines Kreditinstituts so gestaltet sein müsse, dass es sich innerhalb von 60 Sekunden erklären lasse.



Podium diskutiert über

die neue Arbeitswelt



Zum Abschluss des Veranstaltungstags standen die Referenten Hudetz und Dunkel für ergänzende Diskussionen zur Verfügung. Ergänzt wurde das Diskussionspanel im Hinblick auf weitere Aspekte nachhaltiger Geschäftsmodelle und zukünftige Formen des Arbeitens um die Psychologin Sabine Siegl, den in Österreich als erfahrener Sanierer und Investor bekannten Dr. Erhard F. Grossnigg sowie Carl-Jan v. der Goltz. Dieser gab noch einmal einen Überblick über die zahlreichen zur Verfügung stehenden Finanzierungsmöglichkeiten. Die anschließende Diskussion spannte einen weiten Bogen von den Wirkungen der Bankenunion über das viele Unternehmer bewegende Thema der Nachfolgeregelung bis hin zu den Veränderungen in der Arbeitswelt durch die geänderten Wertvorstellungen der sog. Generation Y.

Neben neuen, im Sonnenschein auf dem Campus geknüpften Kontakten konnten die Teilnehmer einige aktuelle Erkenntnisse mitnehmen – und viele Anregungen, welche Entwicklungen es in der Zukunft zu beobachten lohnt. «

Inhaltsverzeichnis

3
Editorial
6
Namen & Nachrichten
 
 
7
INDat Barometer I
 
8
Im Gespräch
Bundesjustizminister Heiko Maas
Der Entwurf behandelt alle Gläubiger gleich
10
Titel
EU-Trend zu vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren
EU gibt Gerüst vor: Präventiv und hybrid
20
Letters from Oxford
Prof. Dr. Reinhard Bork
Niederlassung und Niederlage
21
Standpunkt
Dr. Johannes Holzer
Was ist Kern und was ist Schale? Verwalteramt und Höchstpersönlichkeit
24
Verwalter & Kanzleien
RA Dr. Dietmar Penzlin (SJPP)
Trotz vieler Klippen die Vorlage für ein 8: 0 geliefert
28
Kongresse & Tagungen
4. Internationales Symposium Restrukturierung in Kufstein/Tirol
Restrukturierung an der Kapazitätsgrenze
32
 
Frankfurter Insolvenz- und M&A-Forum
Wann erforderlich, wann entbehrlich?
36
Schwerpunkt: Entrepreneurship
Kultur der zweiten Chance kann nicht verordnet werden
 
38
Kongresse & Tagungen
7. Handelsblatt Jahrestagung Insolvenzrecht in Düsseldorf
Mit der App zum Action Plan
42
Workshops & Vorträge
Pre-Workshop Insolvenzanfechtung zur 7. Handelsblatt Jahrestagung Insolvenzrecht in Düsseldorf
Fiskusvorrecht durch die Hintertür
48
Symposien & Vorträge
2. Jahrestagung des Instituts für Insolvenz- und Sanierungsrecht (ISR) in Düsseldorf
Vom historischen Feigenblatt der Gläubigerbefriedigung
50
 
ZIS-Abendsymposium in Mannheim
Preis-Leistungs-Verhältnis
52
Kongresse & Tagungen
ZIP-Jahrestagung zum Insolvenzrecht in Köln
Alte Erfahrung und junge Wissenschaft
56
 
6. Deutscher Privatinsolvenztag in Göttingen
Stärkere Schuldnerberatung für mehr Face-to-Face
60
 
1. Symposion Insolvenz- und Arbeitsrecht Tegernsee
»Wer nicht fragt, bleibt dumm!«
62
 
Herbstklausur der Arge Insolvenzrecht und Sanierung im DAV in Nürnberg
Anforderungen an das »Universalgenie«
64
Statistik Länder
Verwalter und Kanzleien mit einzelnen Verwaltern in den 16 Bundesländern
 
86
Statistik Bund
Top 30 Verwalter, Top 30 Kanzleien, Top 10 Gerichte
 
87
INDat Barometer II
 
 
90
Veranstaltungen, Impressum, Vorschau