Titel | INDat Report 06_2023 | August 2023

Bundesamt kombiniert mit Kammer und Beirat

 

Düsseldorf. Dem Bundesministerium der Justiz (BMJ) liegt der Beschluss der Justizministerkonferenz (JuMiKo) vom 11./12.11.2021 zum Bericht der Arbeitsgruppe »Vorauswahlliste Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter« zur Schaffung eines entsprechenden Gesetzesentwurfs im Rahmen der Diskussion über ein Berufsrecht für Insolvenzverwalter vor. Eine der Mitinitiatorinnen der damaligen Arbeitsgruppe war die seinerzeitige Justizstaatssekretärin des Landes Berlin und heutige Staatssekretärin im Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen Dr. Daniela Brückner. Peter Reuter fragte die ehemalige Leiterin der Insolvenzabteilung des AG Charlottenburg, wie sie die Chancen einschätzt, dass sich der JuMiKo-Beschluss in dem vom BMJ angekündigten Eckpunktepapier zum Berufsrecht wiederfindet, ob sie sich einen Kompromiss für das von ihr favorisierte Bundesamt für Justiz als zentrale Stelle vorstellen kann und wie sie sich zu jüngsten Reformplänen des BMJ positioniert, die u. a. die Neuordnung der Zuständigkeiten in Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzsachen vorsehen.

INDat Report: Der Bericht der von Ihnen als damalige Justizstaatssekretärin des Landes Berlin mitinitiierten und am 08.04.2021 konstituierten Länderarbeitsgruppe mit Vertretern aus den Landesjustizverwaltungen von zehn Bundesländern mit der Bezeichnung »Vorauswahlliste Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter« mündete in einem Beschluss der JuMiKo vom 11./12.11.2021, der u. a. vorsieht, dass die nach bundeseinheitlichen Kriterien geführte Bundesvorauswahlliste durch eine behördliche Stelle, gemeint ist wohl das Bundesamt für Justiz, geführt werden sollte. Seitdem ist viel Zeit verstrichen, Bundesjustizminister Marco Buschmann hat in Sachen Berufsrecht für Insolvenzverwalter zuletzt auf dem Deutschen Insolvenzrechtstag im April 2023 in Berlin ein Eckpunktepapier angekündigt. Wie zuversichtlich sind Sie, dass sich der JuMiKo-Beschluss darin wiederfindet?

Brückner: Hier bin ich nach wie vor zuversichtlich. Die Arbeitsgruppe hat ihren Bericht unter Beteiligung des BMJ erstellt. Gute Ideen brauchen in der demokratischen Diskussion mit allen Betroffenen aber mitunter Zeit. Dass die in der Arbeitsgruppe gemeinsam entwickelten und konsentierten Kriterien für die Aufnahme in die Vorauswahlliste Eingang in das Eckpunktepapier finden werden, ist aus meiner Sicht sehr wichtig. Und bei der Frage, welche Organisation dieses Vorauswahlverfahren dann führen wird, ist die Ausgangsproblematik ja allgemein anerkannt. Das derzeitige Vorauswahlsystem ist durch Dezentralität und Uneinheitlichkeit geprägt. Ein zentriertes Vorauswahlverfahren wird zu einer substanziellen Verbesserung der allgemein als unbefriedigend angesehenen derzeitigen Situation führen. Hierbei muss aber immer zwischen zwei Fragen unterschieden werden: auf der einen Seite die wiederkehrenden administrativen Aufgaben und auf der anderen Seite die berufsrechtlichen – und damit grundrechts­relevanten – Entscheidungen im Einzelfall. Gerade wiederkehrende administrative Aufgaben können gut und zuverlässig auch von einer Behörde wie dem Bundesamt für Justiz wahrgenommen werden. Hier verweise ich auf die Unabhängigkeit und die Souveränität der Justiz. Der technische Zugriff aller Insolvenzgerichte auf die Daten muss pro­blemlos möglich sein: Wir haben bundesweit 191  Insolvenzgerichte. Diese können nicht alle mit einer externen Stelle kommunizieren. Diese Aufgabe muss in der Hand der Justiz bleiben. Die Justiz darf die Hoheit weder über die Datenhaltung der Vorauswahlliste noch über die verwendete Software verlieren.

INDat Report: Neben dem JuMiKo-Vorschlag gibt es seitens der BRAK zusammen mit der DAV-Arge Insolvenzrecht und Sanierung einen inzwischen modifizierten Regulierungsvorschlag vom Februar 2023, der eine zentrales Gremium unter dem Dach der BRAK und eine Regulierung in der BRAO vorsieht, wobei die einzelnen RAK primär für die Aufgaben im Zusammenhang mit der zentralen Listenführung zuständig sein sollen. Nun soll eine ergänzte Fassung mit Einbezug der WPK und BStBK geplant sein. Daneben gibt es den Vorschlag des VID mit einer eigenständigen Verwalterkammer vom Dezember 2022. Da sowohl BRAK als auch VID ihre Modelle im Laufe der Zeit modifiziert haben mit dem mehr oder weniger gelungenen Versuch, einen breiteren Konsens zu erzielen, die Frage an Sie, ob auch das »JuMiKo-Modell« hinsichtlich des Streitpunkts der zentralen Stelle eine Modifizierung erfahren könnte.

Brückner: Für mich wäre es noch immer die erste Wahl, alles in die Hände des Bundesamtes für Justiz zu geben. Allerdings ist für mich auch vorstellbar, dass die berufsregelnden Entscheidungen wie Listing und Delisting von einer Kammer der Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter getroffen werden, wenn die Richterschaft – z. B. als Mitglieder eines Beirats der Kammer – bei der Entscheidungsfindung beteiligt wird. Zur Wahrnehmung der wiederkehrenden administrativen Aufgaben, die sich bei der Führung einer Vorauswahlliste ergeben, ist das Bundesamt für Justiz die beste Stelle. Dies müsste auch im Interesse der Verwalterschaft liegen. Wenn für ein zentrales Vorauswahlverfahren regelmäßige Überprüfungen geregelt werden, dürfte es auch dem Berufsstand der Verwalterinnen und Verwalter lieber sein, dass diese – rein administrativen – Aufgaben durch eine neutrale Stelle statt ggf. durch die Kollegin oder den Kollegen in einer Kammer übernommen werden. Bei den regelmäßigen Überprüfungen ist neben dem Nachweis des Fortbestands der Berufshaftpflichtversicherung auch denkbar, dass rechtskräftige strafrechtliche Verurteilungen, insbesondere im Hinblick auf Vermögensstraftaten, zur Kenntnis gelangen, wenn der Bundeszentralregisterauszug regelmäßig eingeholt wird. Wenn hier allerdings noch »Jugendsünden« oder ein anderes nicht vermögensrechtliches Fehlverhalten, wie etwa eine Trunkenheitsfahrt, enthalten sind, bin ich mir nicht sicher, ob eine Insolvenzverwalterin oder ein Insolvenzverwalter die jährliche Befassung einer kollegial besetzten Kammer wirklich möchte. Die Übernahme dieser administrativen Aufgaben durch eine Behörde ist dementsprechend auch im Interesse der Berufsträgerinnen und Berufsträger.  (…)

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