Titelthema | INDat Report 03_2017 | April 2017

»Forum 270« will Qualität in der Eigenverwaltung sichern und stärken

Frankfurt am Main. Der präventive Restrukturierungsrahmen übt große Anziehungskraft aus und scheint das ESUG etwas in den Schatten zu stellen. Nach fünf Jahren beginnt nun die Evaluation des ESUG, die die Praxiserfahrungen bündeln soll. Fünf Jahre ESUG waren u. a. der Anlass für 13 Praktiker aus sieben Kanzleien, das »Forum 270 – Qualität und Verantwortung in der Eigenverwaltung e. V.« zu gründen. Ihr Ziel: Der Eigenverwaltung eine Stimme geben und selbstverpflichtende Grundsätze ordnungsge­mäßer Eigenverwaltung aufstellen, um sich von »schlechten« Umsetzungen abzugrenzen. Peter Reuter fragte den Vorstand, RA Thomas Oberle (Vorsitzender), RA Dr. Georg Bernsau und RA Andreas Elsäßer, wie sie zum Brüsseler RLE stehen, was einen guten Eigenverwalter auszeichnet und wer dem Forum, dem bislang nur männliche Mitglieder angehören, beitreten kann.

INDat Report: Was war für Sie zusammen mit zehn weiteren Praktikern der Anlass, das »Forum 270 – Qualität und Verantwortung in der Eigenverwaltung e. V.« zu gründen?
Oberle: Es war die Erkenntnis, dass die Eigenverwaltung etwas sehr Gutes sein kann, wie der Markt zeigt, dass aber gleichwohl Äußerungen von verschiedener Seite kommen, die gar nicht unbegründet sind, dass es auch Missbrauchsmöglichkeiten und schlecht laufende Eigenverwaltungsverfahren gibt. Es wäre schade, wenn es zu den erfolgreich verlaufenden Eigenverwaltungen eine Gegenbewegung gäbe, die die Eigenverwaltung allgemein in ein schlechtes Licht rückt. Daher haben wir das Bedürfnis gesehen, dass die, die eine gemeinsame Überzeugung haben, dem entgegentreten und auch deutlich machen, worin nach unserer Auffassung Qualität und Verantwortungsbewusstsein in der Eigenverwaltung bestehen.
Elsäßer: Der ganz konkrete Auslöser war ein Vortrag vor Bankern, in dessen Rahmen das Auditorium schlichtweg sein Leid geklagt hat, welche schlechten Erfahrungen es mit Eigenverwaltungen gemacht hat. Das löste bei mir die Besorgnis aus, dass es hier zu einer verstärkten Abwehrhaltung gegen die Eigenverwaltung kommen kann. Daraufhin ist die Idee entstanden, der Eigenverwaltung eine Stimme in Form eines Forums zu geben, wie diese im positiven Sinne umzusetzen ist. Dann weiter ausgehend von einem Gespräch zwischen Burkhard Jung und mir haben wir uns überlegt, mit wem wir als Partner in den vergangenen fünf Jahren bei Eigenverwaltungen bereits zusammengearbeitet und erfolgreiche Verfahren bestritten haben. Und so kamen wir schließlich auf die 13 Gründungsmitglieder, die als Sachwalter, CIO, CRO oder Generalbevollmächtige tätig sind.
Bernsau: Als wir dann alle das erste Mal im Oktober letzten Jahres zusammengekommen waren, hat jeder von uns Thesen formuliert und vorgetragen, nach welchen eigenen Grundsätzen er die Eigenverwaltung praktiziert. Das Verblüffende war, dass es hier fast in allen Punkten einen Konsens gab. »Wir achten auf eine Begrenzung der Honorierung«, sagte der eine, die anderen stimmten zu. Ein weiterer trug vor, »wir nehmen Fälle nicht an, wenn die Eigenverwaltung durch Gesellschafter und Geschäftsführer zulasten der Gläubiger genutzt werden soll«, was alle bestätigten. Diese Übereinstimmung drückt sich in unseren formulierten acht Thesen aus, die darauf begründet sind, dass wir zusammen im »Forum  270« an fast allen großen Eigenverwaltungsverfahren, sicherlich aber 80 % dieser Fälle der vergangenen fünf Jahre in der einen oder anderen Funktion beteiligt waren.
INDat Report: »Forum  270« besteht 13 Gründungsmitglieder aus sieben Kanzleien. Soll es ein geschlossener Zirkel bleiben oder nehmen Sie weitere Mitglieder auf?
Elsäßer: Unser Anspruch ist, keinen Closed Shop gegründet zu haben, sondern jeder Verwalter, Sachwalter und Berater eingeladen ist, mitzumachen. Wir brauchen allerdings eine Einstimmigkeit im Aufnahmeausschuss, gebildet aus Vorstand und zwei weiteren Mitgliedern, denn wir wollen erreichen, dass sich die Mitgliedschaft zu einer Art Qualitätssiegel entwickelt. Der Bewerber muss über entsprechende Erfahrung verfügen, die sich laut Satzung u. a. in der mindestens fünfjährigen zusammenhängenden Tätigkeit in der Insolvenzverwaltung, Insolvenz- oder Sanierungsberatung sowie in mindestens drei Eigenverwaltungsverfahren mit über 100 Mitarbeitern in entsprechender Funktion ergibt. Der Bewerber muss bereit sein, unsere Ziele und die Thesen zu unterstützen und zu befolgen. Wir wollen unseren Anspruch und Ansatz, die Eigenverwaltung entsprechend zu leben, nicht verwässern. Ich hatte kürzlich ein Beratungsmandat in Garmisch-Partenkirchen bei einem »Weltkonzern« mit 3 Mio.  Euro Umsatz, dessen Geschäftsführer unbedingt eine Eigenverwaltung aufsetzen wollte. In einem mehrstündigen Gespräch habe ich ihm erklärt, warum das hier nicht funktioniert und der Fall nicht geeignet ist. Drei Stunden später rief mich der Geschäftsführer an und informierte mich, dass ein anderer Berater die Eigenverwaltung in seinem Fall als völlig unproblematisch eingestuft habe. Das sind dann die Kollegen, die wir nicht in unserem Forum haben wollen.

(…)

Editorial | Peter Reuter | INDat Report 03_2017 | April 2017

Licht- und Schattenspiele

Der präventive Restrukturierungsrahmen beschäftigt derzeit alle: Politik, Verbände, Verwalter und (anwaltliche) Berater. Zum einen will man mitmischen, wenn es in Brüssel um die Ausgestaltung des RLE geht und zum anderen bei der Umsetzung in nationales Recht ein Wörtchen mitreden. Dass der Rechtsausschuss des EU-Parlaments bereits im November eine Beschlussvorlage präsentieren will, die bei Annahme im EP dem Rat weitergeleitet wird, zeigt, dass dieses Vorhaben schneller, als hierzulande von einigen gedacht, umgesetzt werden soll.

Die Zentrierung auf den RLE hat den Fokus verschoben: Das ESUG und dessen Erfolge sind in den Schatten gerückt, zu Unrecht: Der oft angeführte Missbrauch gilt als rückläufig, Eigenanträge kommen früher, kurze Verfahrensdauern lassen sich umsetzen und der Nachjustierungsbedarf konzentriert sich auf wenige, aber dennoch wichtige Punkte.

Nach fünf Jahren ESUG tritt das »Forum 270« an, um aus gut gelaufenen Eigenverwaltungsverfahren Grundsätze herauszukristallisieren, zu denen sich die angeschlossenen Akteure verpflichten wollen. Gleichzeitig wirkt die Initiative aber auch wie ein Widerstand gegen die scheinbar erdrückenden Brüsseler Impulse, von denen man nicht weiß, ob sie nur die großen Unternehmen oder auch KMUs in der Krise adressieren.
Was noch aussteht, ist die ESUG-Evaluation, die im Mai starten soll, deren Ergebnisse dann ein Jahr später vorliegen. Eigentlich wollte man auf dieser Basis eruieren, welche Schlüsse für ein präventives Sanierungsverfahren zu ziehen sind. Dieser Plan geht aber nicht auf, die Zeit läuft davon.

Ohne das Insolvenzverfahren samt seiner tragenden Säulen zu beschädigen und ohne eine vorgelagerte Konkurrenz zu schaffen, sollte die EU-Richtlinie eine Lücke im deutschen Sanierungs­baukasten schließen. Der Anspruch müsste lauten, nicht nur im Insolvenzverfahren weltweit an der Spitze zu stehen, sondern auch bei einem vorgelagerten Rechtsrahmen beste Qualität zu bieten. Vielleicht steht diese Überlegung aber gar nicht mehr
zur Debatte, sondern die »Rechtsfolgen« begründen die Abwehr: Schließlich wird Brüssel den Verwalter- und Restrukturierungsmarkt nochmals nach dem ESUG kräftig durchschütteln, und einige werden dabei den Anschluss verlieren.

Inhaltsverzeichnis

3
Editorial
 
5
INDat Barometer I
 
6
Namen & Nachrichten
 
8
Titel
»Forum 270« will Qualität in der Eigenverwaltung sichern und stärken
Gut gefahren mit dem ESUG: Zeit reif für Grundsätze?
16
Berater & Kanzleien
Joern Herseth und RA Michael Martinez Ferber (FalkenSteg)
Eingespielt auf Zuruf und schnelle Reaktion
20
Im Gespräch zum präventiven Restrukturierungsrahmen
Béatrice Dunogué-Gaffié, EIP, Paris; Stephen Harris, Ernst & Young, London; Adrian Thery, Garrigues, Madrid; Daniel F. Fritz, hww, Frankfurt am Main
Ein Blick über den deutschen Tellerrand für hilfreiche Lektionen
28
Serie: Finanzinvestoren (II)
Insolvenzverwalter bei chinesischen Investoren hoch im Kurs
 
32
Symposien & Vorträge
Konferenz »The Impact of Brexit on Cross-border Bankruptcy Practice« in Berlin
Brexit – schwere Scheidung oder sogar Todesfall?
36
Kongresse & Tagungen
14. Deutscher Insolvenzrechtstag in Berlin
Kreisen um das Dreieck aus Brüssel, Berlin und München
48
 
Jahrestagung der Zwangsverwalter in Berlin
Am Schluss kam der Stimmungskiller
50
 
Zehntes Heidelberger Symposium zur Unternehmensrestrukturierung
Serienunternehmer und Verein ohne Tradition sammeln Erfolge
54
Statistik
Top 30 Verwalter, Top 30 Kanzleien, Top 10 Gerichte
 
55
INDat Barometer II
 
 
58
Veranstaltungen, Impressum, Vorschau